Die Komplexität der optimalen Betriebsführung eines Kälteverbunds wird durch die Unterschiedlichkeit der einzelnen Erzeugungsstellen einerseits und unterschiedliche Bedarfsanforderungen der Verbraucher andererseits verursacht und erfordert den Einsatz intelligenter Regelungsalgorithmen.  Die Veröffentlichungen [1] und [2] zeigen den Entwicklungsprozess zur mathematischen Modellierung des Kälteverbundsystems in der Simulationsumgebung  Modelica sowie die Methode zur Evaluation der Regelungsalgorithmen. Zur Veranschaulichung werden die Simulationsergebnisse eines Teils der im Rahmen des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) geförderten Forschungsprojektes „Eneff: HCBC 1. Umsetzungsphase HochschulCampus Berlin-Charlottenburg“ (BMWI- FKZ: 03ET1632A) geplanten Maßnahme „Kälteverbund Nord“ auf dem Campus der Technischen Universität Berlin gezeigt.

The complexity of the optimal operation management of a cooling network is caused by the differences of the individual cooling generation points on the one hand and the different requirements of the consumers on the other hand and requires the use of intelligent control algorithms. This publications shows the development process for the mathematical modelling of the refrigeration system in the  simulation environment Modelica and the method for evaluating the control algorithms. To illustrate this, the simulation results of art of the „North cooling network“ measure planned on the campus are shown as part of the research project „Eneff: HCBC 1st implementation phase HochschulCampus Berlin-Charlottenburg“ (BMWIFKZ: 03ET1632A) funded by the Federal Ministry for Economic Affairs and Energy (BMWi) at the Technical University of Berlin.

Das Kältenetz auf dem Nordcampus TU-Berlin, Berlin-Charlottenburg

Das in der Abbildung 1 dargestellte Bestandsnetz kann bisher nicht als ein vollständiger Kälteverbund betrieben werden (siehe Netztrennung), da das Regelungskonzept fehlt und hydraulische Probleme vermieden werden sollen. Das Netz erstreckt sich zwischen zwei Erzeugungsorten und versorgt 6 Gebäude.

Abbildung 1: Monitoringkonzept für die Erzeugungs- und Verbrauchsmessungen des Kälteverbundes

 

Die Versorgung erfolgt bei Temperaturniveaus von 6 °C im Vorlauf und 12 °C im Rücklauf. Das System hat vier Kälteerzeuger mit einer Gesamtleistung von ca. 1,2MW (Auslegungsleistung bei Außentemperatur von 35 °C). Die maximale Kälteleistung aller Verbraucher bei einem Gleichzeitigkeitsfaktor von 1 beträgt 1,5MW. Dabei entsteht in Bezug auf das Jahr 2019 ein Kältebedarf von knapp 1,5GWh/a. Wie der Abbildung 4 zu entnehmen ist, gibt es einige witterungsunabhängige Verbraucher wie Prozesskühlung und IKT. Dadurch entsteht ein ganzjähriger Versorgungsbedarf an Kälte. Das System hat eine gesamte Grundlast von ca. 120 kW und eine Tagesgrundlast von knapp 300 kW.

 

Modellierung des Kälteverbunds in Modelica

Der in [1] bzw. [2] entwickelte Regelungsalgorithmus bezieht sich ausschließlich auf die elektrische Leistungsaufnahme des Verdichters. Um den Einfluss der zusätzlichen Hilfsenergie zu untersuchen, wird diese dem hier beschriebenen Modelica-Modell hinzugefügt.    

Es wurden Einzelmodelle der Verbraucher, Erzeuger und anderer Komponenten erstellt. Daraus wurden die universell parametrisierbaren Modelle wie Gebäudekälteerzeuger- und Verbraucherkältezentralen (siehe Abbildung 2 abgebildet. Die Hauptelemente des Gebäudekälteerzeugerzentralenmodells sind die Kälteerzeuger mit den zugehörigen Erzeugerpumpen, die Kaltwasserübergabestation und die Netzpumpe, sowie das Erzeugermanagementsystem der Kälteerzeugerzentrale. Das Modell erhält als Eingangsgrößen die Freigabe zum Betrieb, die Lastanforderung, den Sollwert für die Vorlauftemperatur und den aktuellen Außentemperaturwert, der als Eingangsgröße der im Erzeugermodell integrierten Rückkühlanlage benutzt wird. Die Einstellung der Kaltwasser-Solltemperatur erfolgt ebenso über den im Kälteerzeugermodell integrierten Temperaturregler. Als Kontrollmessgröße wird hier die Austrittstemperatur der Kältezentrale benutzt. Auch beinhaltet das Kälteerzeugermodell das Kontrollelement zur Überwachung der zulässigen Kondensations- und Verdampfungstemperatur. Dieses ist in den realen Kompressionskälteanlagen typischerweise als Hoch- und Niederdruckschalter ausgeführt. Die Durchflusserzeugung des Kälteverbunds erfolgt durch die Netzpumpen der beiden Kältezentralen. Der notwendige Durchfluss bei den Verbrauchern wird dort durch Regelventile eingestellt.  Das Modell verfügt über mehrere Ausgangsgrößen, wie z.B. Stromverbrauch, Kälteleistung, aktueller Betriebsstatus etc., die für die weitere Betriebsanalyse und -kontrolle benutzt werden. Die hydraulischen Pumpen-, Rohrleitungs- und Wärmeübertragermodelle sowie die mathematischen und logischen Grundoperatoren wurden direkt aus den Modellbibliotheken „Buildings“ [3] und „Modelica Standard Library“ [4] übernommen.

Abbildung 2: Das Modell des Bestandnetzes der TU-Berlin in Modelica [5]

Das aus einzelnen Blöcken für Erzeuger- und Verbraucherzentralen zusammengestellte Kälteverbundmodell für das Bestandsnetz (siehe Abbildung 1) ist der Abbildung 2  zu entnehmen. Dieses Modell besteht grundsätzlich aus zwei Gebäudekälteerzeugerzentralenmodellen und 6 Verbrauchermodellen. Diese sind hydraulisch über die Fluidports der Modelle miteinander verknüpft. Zwischen den Gebäuden sind Rohrleitungsmodelle angebracht. Alle Leitungen des Kälteverbunds sowie die Leitungen in den Verbraucher- und Gebäudekälteerzeugerzentralenmodellen sind mit dem dazugehörigen Umgebungsmodell verbunden. Damit können die thermischen Verluste (bzw. Gewinne) für die unterschiedlichen thermischen Umgebungen der Kälteverbundleitungen simuliert werden. Diese Trennung der thermischen Umgebung ist notwendig, da sich die thermischen Bedingungen der Rohrtrassen aufgrund ihrer Verlegeart z.B. im Gebäude, im Freien, im Erdreich etc., voneinander unterscheiden können. 

Dieses Modell ist zusätzlich mit einem übergeordneten Regelungssystem und einem Modul zur Betriebsdatenanalyse verknüpft (siehe Abbildung 2 oben). Im übergeordneten Regelungssystem fließen die aktuellen Lastanforderungen aller Verbrauchermodelle des Kälteverbunds zusammen. Daraus werden mit dem in [1] bzw. [2] entwickelten Regelungsalgorithmus  die der Last und Außentemperatur entsprechende Stellsignale und entsprechende Freigaben an die Gebäudekälteerzeugerzentralenmodelle weitergegeben.

 Ergebnisse der Simulation in Modelica

Für die Simulation wurde als Referenz das Jahr 2019 ausgewählt.  Die Daten zu den Außentemperaturen stammen aus dem freizugänglichen Online-Datensammlung der Deutschen Wetterdienstes [6] für die Wetterstation Berlin-Tempelhof.  Die Simulationsergebnisse für die Kälteleistungen und elektrischen Leistungsaufnahmen der Kälteerzeuger und des gesamten Kälteverbunds zeigt Abbildung 3. Dabei beinhalten die elektrischen Leistungsaufnahmen der Kälteerzeuger auch den Hilfsenergieaufwand der Rückkühlanlage. Die zusätzlichen elektrischen Aufwände der Kaltwasserpumpen und zentraler Netzpumpen sind in der gesamten elektrischen Leistungsaufnahme enthalten. In dem Diagramm sind auch die  Betriebswechselpunkte des entwickelten Regelungsalgorithmus zu erkennen.

Abbildung 3: Simulationsergebnisse für Kälteleistungen und elektrischen Leistungsaufnahmen

 

Für eine Gegenüberstellung wurden drei Betriebsszenarien simuliert. Zum einen wurde der Ist-Zustand mit der Netztrennung (siehe Abbildung 1) abgebildet, zum anderen wurde die vernetzte Kälteversorgung einmal ohne und einmal mit dem optimierten Regelungsalgorithmus simuliert. In den ersten beiden Fällen werden die Kälteerzeuger der Lastentstehung entsprechend zugeschaltet. Die Simulationsergebnisse zu diesen drei Szenarien werden in der Abbildung 4 dargestellt. Zu erkennen ist, dass das Szenario mit optimierten Regelungsalgorithmus den niedrigsten elektrische Aufwand aufweist. Die Verläufe der Monatswerte der spezifischen elektrischen Aufwände weisen deutlichen Unterschiede auf. Vor allem ist zu erkennen, dass im Ist-Zustand aufgrund der Netztrennung die Kälteerzeuger mit deutlich größerem elektrischem Aufwand in Teillast betrieben werden. Dagegen weichen die Werte der Variante „vernetzt“ insbesondere in den Wintermonaten nur wenig vom optimierten Fall ab. Dieser Effekt entsteht durch die Verschiebung des Betriebswechselpunktes mit sinkender Außentemperatur. Dadurch werden die Kälteerzeuger in beiden Szenarien deutlich längere Zeit in einem identischen Modus betrieben. Bei weiter sinkender Last gleichen sich beide aneinander an, wie es z.B. im März (siehe Abbildung 4) zu beobachten ist. Im Gegensatz hierzu werden die Unterschiede mit steigender Temperatur und entsprechend der Last immer größer (siehe Juni und Juli im Abbildung 4).

Abbildung 4: Monatliche Simulationsergebnisse für drei Simulationsszenarien

Die entstandene Jahresaufwände und erzielte Jahreseinsparungen sind in der Tabelle 1 für alle drei Szenarien zusammengestellt. Im Fall mit optimierten Regelungsalgorithmus wird die maximale Jahreseinsparung erzielt. Dabei können ca. 32 % der elektrischen Energie und ca. 57 tCO2-Emissionen/Jahr [7] eingespart werden. Dies ist um knapp ein Drittel mehr als bei dem Szenario „vernetzt“.        

Tabelle 1: Jährliche Simulationsergebnisse und Einsparungen

Die erzielten Ergebnisse zeigen, dass ein Verbundbetrieb gegenüber dem Ist-Zustand nicht nur die Sicherheit der Versorgung stützt, sondern auch einen bemerkenswerten energetischen Vorteil hat. Weitere Vorteile können durch den Einsatz des entwickelten optimierten Regelalgorithmus mit Berücksichtigung der Teillasteffizienz erzielt werden.  Wie beim Vergleich der Szenarien „vernetzt“ (Verbund) und „optimiert“ (Verbund mit optimiertem Algorithmus) gezeigt wurde, liegt das größte Potential zur Einsparung von Antriebsenergie bei den größeren Auslastungen.

Die Entwicklung eines Regelungsalgorithmus für einen Kälteverbund ist eine komplexe Aufgabe. In der vorliegenden Veröffentlichung wurde eine mögliche Vorgehensweise präsentiert, wie ein solcher entwickelt werden kann. Dabei wurden ansatzweise nur die Kälteerzeuger ohne den zusätzlichen elektrischen Energiebedarf des gesamten Systems betrachtet. Wie in [1] und [2] erkannt, liegt der gesamte elektrische Aufwand bis zu 20 % über dem des Kälteerzeugers. Diese in der Simulation gewonnen Systeminformationen stellen eine weitere Optimierungsmöglichkeit für den Regelungsalgorithmus dar.

[1] Kononenko, N., Reimann, A. and Ziegler, F. (2021). Modellierung des Kälteverbunds und Evaluation der übergeordneten Regelungsalgorithmen zur Effizienzsteigerung der Kälteversorgung eines Hochschulcampus. Tagungsband Deutsche Klima-Kälte-Tagung, Paper AA II.1 01.Tagungsband Deutsche Klima-Kälte-Tagung, Paper AA II.1 01.

[2] Kononenko, N., Reimann, A. and Ziegler, F. (2022). Modellierung und Evaluation der übergeordneten Regelungsalgorithmen zur Effizienzsteigerung der Versorgung in einem Kälteverbund / Modelling and evaluation of high-level control algorithms to increase the efficiency of supply in a cooling network. KI Kälte- Luft- Klimatechnik, 49–55.

[3] LBNL, Lawrence Berkeley National Laboratory , „Open source library for building and district energy and control systems. Modelica Buildings v.6.0.0,“ 2020. [Online]. Available: https://simulationresearch.lbl.gov/modelica/. [Zugriff am 05 06 2020].

[4] Association Modelica, „Modelica Standard Library – Version 3.2.2,“ Association Modelica, 2016. [Online]. Available: https://modelica.org/. [Zugriff am 30 07 2021].

[5] Dassault Systemes Dymola, „Dymola – Dynamic Modeling Laboratory,“ Dassault Systemes Dymola, 11 10 2017. [Online]. Available: https://www.3ds.com/products-services/catia/products/dymola/. [Zugriff am 30 07 2021]

[6] DWD, Deutscher Wetter Dienst, „Climate Data Center, Historische Temepraturdaten Jahr 2019, Station Berlin-Tempelhof,“ DWD, Deutscher Wetter Dienst, 2021. [Online]. Available: https://www.dwd.de/DE/klimaumwelt/cdc/cdc_node.html. [Zugriff am 03 10 2021].

[7] Umwelt Bundesamt, „Strom- und Wärmeversorgung in Zahlen, CO2 pro Kilowattstunde Strom im deutschen Strommix, Jahr 2019,“ Umwelt Bundesamt, 2021. [Online]. Available: https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/energieversorgung/strom-waermeversorgung-in-zahlen#Strommix. [Zugriff am 31 10 2021].

Modellierung und Evaluation der übergeordneten Regelungsalgorithmen zur Effizienzsteigerung der Versorgung im Kälteverbund „Nord“ / Modelling and evaluation of high-level control algorithms to increase the efficiency of supply in cooling network „North“
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