Universelle Lehrmethoden

Von der Grundlagenlehre zum Forschungsprojekt SynTUBio

SynTUBio Nachgefragt

Thomas Friedrich im Interview mit Nicole Torjus

Anstelle eines Erfahrungsberichts des Wis-senschaftlichen Mitarbeiters Franz Josef Schmitt finden Sie an dieser Stelle ein Inter-view mit dem Fachgebietsleiter Herrn Prof. Dr. Thomas Friedrich. Das hat den ganz pragmatischen Grund, dass Herr Schmitt inzwischen nicht mehr im Projekt beschäftigt ist und damit sein Blickwinkel nicht mehr verfügbar war. Daher gibt uns im folgenden Herr Friedrich seine Eindrücke und Erfahrungen aus seiner Perspektive wieder. Das Interview führte die Projektkoordinatorin Dr. Nicole Torjus.

In diesem Interview finden Sie Antworten von Herrn Prof. Friedrich zu diesen und weiteren Fragen:

  • Was waren Ihre Ziele für das Projekt SynTUBio?
  • Welche konkreten Maßnahmen haben Sie ergriffen, um die Ziele zu erreichen?
  • Was war Ihre persönliche Motivation für das Projekt?
  • Wie war der Aufwand zu stemmen?
  • Welche Unterstützung haben Sie von TUB erhalten?
  • Wenn Sie auf die letzten Jahre zurückblicken, was würden Sie Kolleg*innen unbedingt als Hinweis mit auf den Weg geben wollen, die Lehrprojekte planen?

Was waren Ihre Ziele für das Projekt?

Das Projekt sollte heißen „Synthetic biology from a bioscientists perspective“. Es sollte letzten Endes eine interdisziplinäre Aktivität sein. Wir haben festgestellt, dass Studierende darunter leiden, dass modularisiertes Lernen eben ein „Schubladen-Lernen“ ist. Und es fehlt den Studierenden, insbesondere den Studienanfängern, eine klare Berufszielorientierung. Was mache ich eigentlich als Chemiker irgendwann einmal? Diese Frage können Studienanfänger nicht beantworten. Sie wissen nicht, was man dann in einem Labor macht oder dass in der Chemie der berufsqualifizierende Abschluss nach wie vor die Promotion ist, auch um in der Industrie eine Stelle zu finden. Das wollten wir anpacken: Auf der einen Seite Querbezüge innerhalb des Fachs Chemie zwischen den Fachdisziplinen schaffen und andererseits auch klarmachen: Warum brauche ich eigentlich Mathe für Chemiker? Warum muss ich physikalische Chemie lernen, um dann im Labor erfolgreich zu sein?

Welche konkreten Maßnahmen haben Sie ergriffen, um die Ziele zu erreichen?

Wir wollten die Querbezüge zwischen den verschiedenen Fächern sichtbar machen über sogenannte Wissensstreifen über die Fachsemester hinweg. Das sollte an den Praktika angebunden sein. In den Praktika werden die Inhalte aus vorherigen oder dem aktuellen Semester aufgegriffen und in Experimente umgewandelt.

Auf der anderen Seite wollten wir die Berufszielorientierung angehen, indem ein neues Modul mit Lehrmaterial bestücken. Das war das Modul „Praktikum Synthetische Biologie“. In den ersten beiden Jahren hatten wir dafür das Journal of Visualized Experiments als Partner.

Das war für uns eine Plattform, um die Lehrinhalte für dieses Praktikum so verfügbar zu machen, dass der Wissenschaftsaspekt sichtbar wird und dass die Studierenden, die sich die Videos ansehen erkennen: Aha, das mache ich als Wissenschaftler beispielsweise in meiner täglichen Forschung. Und wir wollen darin insbesondere Nachwuchswissenschaftlerinnen als Akteure zeigen, damit auch weibliche Studierende sehen: Frauen haben auch einen Platz in der Wissenschaft und können hier erfolgreich sein.

Wir haben auch die Projektlabore für Studienanfänger aus dem Orientierungsstudium mint grün mit einbezogen, denn ich vertrete den Standpunkt: Forschen ist nicht an ein Diplom geknüpft oder an einen Bachelor- oder Magisterabschluss. Forschen ist eine menschliche Eigenschaft, der eigenen Neugier nachzugehen. Das ist die Motivation, die uns als Wissenschaftler treibt. Studierende sind auch neugierig. Wir müssen nur einen Platz finden, wo sie ihrer Neugier nachgehen können.

Was war Ihre persönliche Motivation für das Projekt?

Meine eigene Motivation, das Projekt zu starten, war forschendes Lernen zu fördern durch Projektlabore. Forschendes Lernen, das ist eigentlich eine intrinsische Motivation. Man muss als Lehrender gar nicht viel dazu beisteuern. Das läuft von alleine. Und dass ein vernetzter Wissenserwerb für die Studierenden möglich ist und auch sichtbar wird. Hängen bleibt im Gedächtnis nur etwas, was sich in einem Netz verfangen hat. Die Maschen müssen eben klein genug sein, damit nicht alles durchfällt.

Sie haben berichtet, dass Sie Ihr Projekt anpassen mussten, weil zu Beginn nicht absehbar war, dass der ganze Studiengang neu strukturiert wird. Was hat das für SynTUBio und Sie bedeutet?

Ich muss im Nachhinein sagen, das war eine riesige Chance. Wir mussten nicht mehr nur an einem Modul ein bisschen feilen, ein paar Stellschrauben drehen, damit man die bestehenden Quoten verbessert. Sondern wir hatten durch diese Neugestaltung die Möglichkeit, tatsächlich einmal ein übergreifendes Konzept zu entwickeln. Es gibt nun dieses neue Modul Allgemeine Chemie, in dem wichtige Themen – die ich mir eigentlich so ursprünglich mal gewünscht hatte, dass diese im Studium sichtbar werden – im ersten Semester in einem großen Modul abgelegt und dort verortet sind. Es hätte also eigentlich nicht besser laufen können. Für mich war es eine sehr gute Erfahrung dabei gewesen zu sein. Auch wenn ich ehrlich sagen muss, dass es letzten Endes viel mehr Arbeit als eigentlich geplant war: Ich würde es jedes Mal wieder machen.

Was sagen Sie, sind die drei wesentlichsten Inhalte, die Sie jetzt frühzeitig im Bachelor Chemie unterbringen konnten?

Drei wesentliche Aspekte, es gibt nun eine Verzahnung zwischen den Fächern. Die Studierenden merken schon im ersten Semester, worauf es hinausläuft. Und das war das Ziel, denn wir haben so viele Fälle von Studierenden, die im sechsten oder achten Semester ihr Studium noch abbrechen. Das ist viel zu spät. Die Studierenden müssen gleich am Anfang einen Einblick in die ganzen Facetten des Fachs bekommen. Es ist nicht damit getan, dass man gut in Anorganischer Chemie ist und vielleicht mit den Versuchen kein Problem hat, wenn man nicht wenigstens auch noch in der Organischen Chemie und der Physikalischen Chemie sich die Grundkenntnisse aneignen kann und davor auch keine Berührungsängste hat. Also eine frühzeitige Orientierung. Jetzt kann ich meine Studienmotivation schon innerhalb des ersten Semesters mit den Inhalten abgleichen. Ist das was für mich?

Auf der anderen Seite erzielen wir damit hoffentlich, dass die Studierenden mit einem vernetzen und besseren Einblick in die höheren Fachsemester wechseln. Wenn die Studierenden Allgemeine Chemie bestanden haben, gibt es keine weiteren obligatorischen Voraussetzungen. Dann ist der Studiengang weiter studierbar. Das war vorher ein Problem. Bei dem alten Bachelor Chemie gab es eine Vielzahl von obligatorischen Voraussetzungen, was Studienzeit verlängernd war. Und es gibt jetzt ein Mobilitätsfenster im fünften Semester. Studierende können nun an ausländische Hochschulen gehen, denn sie müssen nur noch Wahlpflicht oder Wahlmodule erbringen. Das ist der dritte Punkt.

Gibt es noch andere wesentliche Merkmale?

Ein Merkmal ist, dass es wohl wenige Module an der TU Berlin gibt, wo mehrere Lehrpersönlichkeiten gemeinsam das ganze bestreiten. Das ist auch etwas, was von den Studierenden gut wahrgenommen wird. Und für uns als Lehrende innerhalb des Moduls war es die Gelegenheit tatsächlich einmal den Gesprächsfaden zur Lehre aufzunehmen. Das war eine der schwierigsten Herausforderungen, alle an einen Tisch zu bekommen und über ihre Gestaltung der Lehre sprechen zu lassen und die verschiedenen Herangehensweisen miteinander in Einklang zu bringen.

Wie war der Aufwand zu stemmen? Welche Unterstützung haben Sie von TUB erhalten?

Ganz zentral war die Unterstützung von Franz Josef Schmitt. Er hat das Projekt am Anfang mehr oder weniger getragen. Und ich habe vorher den Online Lehre Lernen Kurs an der ZEWK besucht. Das hat mir auch geholfen, zumindest als Hintergrundphase. Das Wissen, es gibt so etwas wie Hochschuldidaktik. Das wusste ich vorher nicht. Und insofern waren da so eine ganze Gemengelage an unterstützenden Maßnahmen schon vorhanden, bevor das Projekt gestartet ist. Zusätzlich konnten wir noch eine zweijährige Förderung über tu project für „iGEM – Synthetische Biologie“ erhalten und sind als Fellows in einem Netzwerk des Stifterverbandes aktiv, wo man sich ganz zwanglos austauschen kann. Das waren auch nicht zu unterschätzende Unterstützungen.

Zwei Jahre in Folge ging der Preis für Vorbildliche Lehre an der TU Berlin an Lehrveranstaltungen, die im Rahmen von SynTUBio stattfanden. Was ist das Geheimnis Ihres Erfolges?

Man muss immer dranbleiben und man darf keine Initiativen abwürgen. Deswegen unterstütze ich es immer, wenn Leute sich mit mir zusammensetzen und sagen, wir würden gern in der Lehre was bewegen. Und das hat so eine Eigendynamik entfaltet, dass es jetzt aussieht, wie wenn ich da unheimlich erfolgreich wäre. Und wir sind durchaus stolz auf unsere beiden Fellowships des Stifterverbands. Dass wir es nach außen tragen konnten. Und ich glaube, die TU Berlin ist mit insgesamt 4 Fellowships des Stifterverbands die Hochschule in Deutschland, die die meisten Fellowships an einem Ort vereinigt. Aber ich schreib mir das nicht auf meine Fahnen, dass es so gut gelaufen ist. Vielleicht treffen wir mit unseren Ideen auch den Puls der Zeit. Insofern haben wir auch viel Glück gehabt.

Aus Sicht der Koordination sind Sie mit SynTUBio ein besonders herauszuhebendes Lehrprojekt, da wir nirgendwo sonst eine derartige Synergie verschiedener QPL-Teilprojektlinien wie tu wimi plus, tu project und mint grün beobachten konnten. Wie kam es aus Ihrer Sicht dazu?

Wir haben natürlich auch gesehen: Da gibt es Möglichkeiten! Wir haben versucht, die Möglichkeiten wirklich auch so einfließen zu lassen, dass wir auf der einen Seite die Projektlinien bedienen und auf der anderen Seite versuchen unsere eigenen Ideen weiterzubringen. Auch da kann ich nur sagen Franz Josef Schmitt war in vielen Fällen der treibende Kopf. Und auch seine Vernetzung innerhalb der der TU Berlin. Wir sind dann damals auch über Online Lehre Lernen auf andere Förderlinien aufmerksam gemacht worden. Oder Herr Thurian aus dem strategischen Controlling schreibt dann eine E-Mail: Herr Friedrich, Herr Schmitt da gibt’s eine eine Förderlinie. Wäre das nicht etwas für Sie? Da sagen wir nicht nein. Sondern wir versuchen das zu nutzen. Das würde ich gern auch in Zukunft weiter so handhaben.

„Die größten Fehler sind die, die man nicht gemacht hat.“ Was war für Sie der lehrreichste Umweg im Projekt?

Wir mussten ja einen Umweg gehen. Die Module, an denen wir arbeiten wollten, gab es nicht mehr durch die Neustrukturierung. Auf diesem Umweg war der lehrreichste Aspekt, wie bringe ich Hochschullehrende zusammen, um miteinander über ihre Lehre zu reden? Das war glaube ich der Hauptknackpunkt, die größte Schwierigkeit. Hochschullehrende dazu zu bringen, sich hinsichtlich ihrer eigenen Lehre zu öffnen und möglicherweise auch kritisch hinterfragen zu lassen. Das ist das Wichtige dabei. Um dann voranzugehen und etwas Kreatives zu entwickeln. Aber erst einmal diese Hemmschwelle zu überwinden, das war der schwierigste Brocken dabei. Es war nicht einfach, aber wir haben eine Salami-Taktik verwendet und sind in kleinen Schritten vorangegangen. Wir haben mit einem kleinen Kernteam gestartet und Konzepte erarbeitet und dann versucht die anderen Beteiligten des Moduls mit ins Boot zu holen.

Wenn Sie auf die letzten Jahre zurückblicken, was würden Sie Kolleg*innen unbedingt als Hinweis mit auf den Weg geben wollen, die Lehrprojekte planen?

Also ich würde sagen, wenn jemand sich als Newcomer mit Lehrreformprojekten beschäftigen möchte: Das Beste ist, tue dich mit einem Kollegen oder einer Kollegin zusammen und versucht ein Modul zusammen zu gestalten. Allein sich darauf einzulassen, mit einer Kollegin oder einem Kollegen eine Lehrveranstaltung gemeinsam zu planen, ist schon wahnsinnig hilfreich. Ich würde auch neuen Kollegen, unabhängig davon, ob sie Lehrreformprojekte anstreben, nahelegen, sich bei der Wissenschaftlichen Weiterbildung an der ZEWK nach einem Kurs umzuschauen. Meinetwegen auch im Rahmen von einer Zielvereinbarung des Präsidenten. Das könnte sehr hilfreich sein. Allein, indem Hochschullehrende miteinander sprechen und Vertrauen zueinander finden, kann schon viel bewegt werden. Also: Sprecht miteinander und versucht gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen!

Abbildung 1: Preisverleihung zum Preis für vorbildliche Lehre 2019: Prof. Dr. Rüdiger Zarnekow, Prof. Dr.-Ing. Hans-Ulrich Heiß, Dr. Züleyha Yenice Campbell, Dr. Franz-Josef Schmitt und Prof. Dr. Thomas Friedrich (v.l.). © TU Berlin/Felix N

Fachgebiet Bioenergetik

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