Selbsteinschätzung als Mittel zur Bewertung

Arno Wilhelm-Weidner

Eine Methode, die mir im Rahmen meines Lehrprojektes sehr geholfen hat, war die Selbsteinschätzung der Studierenden. Da es in meinem Lehrprojekt um das Selbstlernen mit Lerneinheiten ging, lag es nahe, die Studierenden auch um eine Einschätzung ihrer Fähigkeiten zu bitten. Im Rahmen der durchgeführten Studien mussten diese nicht nur inhaltliche Fragen zu Themen der Lerneinheiten beantworten, sondern auch mit Schiebereglern - wie in Abbildung 1 zu sehen - zu verschiedenen Themen eine Einschätzung geben, wie gut sie das Thema verstanden haben. Die Ergebnisse wurden in der Auswertung dann auch mit den Ergebnissen der inhaltlichen Fragen verglichen und korrelierten miteinander. Die Studierenden konnten ihren Stand erstaunlich gut einschätzen. In der Literatur gibt es Belege dazu vor allem für Studierende in höheren Semestern, hier stimmte das auch schon Erstsemester. Diese Methode könnte in Zukunft gerade auch für kurze Abfragen in der Vorlesung oder auch als Teil von Hausaufgaben nützlich sein, um die Wahrnehmung der Studierenden mit den Ergebnissen abzugleichen oder einen Zwischenstand zu bekommen.

Abbildung 1: Selbsteinschätzung in einer der Studien

FlippedClassroom

Robert Franke-Lang

Eine Methode für kompetenzorientierten Unterrichts als Gruppenformat wurde im Praktikum eingeführt. Das Praktikum ist nur ein Teil der Lehrveranstaltung und war vor der Überarbeitung das Zulassungskriterium für die Klausur. Dabei musste ein Eingangstest mit mindestens 50% in jedem Praktikumsversuch bestanden und ein nicht benotetes Protokoll angefertigt werden. Die Protokolle wurden als Gruppenarbeit angefertigt. Die Bewertung konnte als Gruppe oder mit entsprechenden Markierungen im Protokoll individuell erfolgen.

Die primären Lernziele der Praktika sind, die gelernten Inhalte aus Vorlesung und Übung anhand von praxisbezogenen Beispielen anzuwenden und eine Wahrnehmung für die berufliche Realität zu bekommen. Als Lernergebnis wurde in der Modulbeschreibung folgendes formuliert: „Die Studierenden verstehen die grundsätzliche Funktion der elektrischen Energieerzeugung und -verteilung. Sie kennen die theoretischen Grundlage elektrischer Energiesysteme und sind in der Lage, Messungen an realen Systemen durchzuführen und ihre Messergebnisse in adäquater Form zu dokumentieren. Beispielsweise müssen die Studierenden  im ersten Versuch einen Tiefsetzsteller selbst aufbauen und die theoretischen Größen messtechnisch ermitteln. Sie können anschließend selbst einen Tiefsetzsteller aufbauen und für eine entsprechende Anwendung auslegen und dimensionieren.“

Vor der Überarbeitung des Kurses waren die Praktika wie folgt konzipiert: ein Versuch dauert vier Stunden, wobei die ersten zwei Stunden für den oben genannten Eingangstest und einen Frontalvortrag der Tutoren über die Vorbereitungsaufgaben aufgewendet wurden. Der Eingangstest dauerte oftmals länger als geplant. Auch war die Anspannung der Studierenden deutlich zu spüren, da sie, wenn der Test nicht bestanden wurde, nicht am Versuch teilnehmen durften. Die Auswertung erfolgte direkt im Anschluss durch den Tutor. Die verbleibenden zwei Stunden blieben dann für den eigentlichen Versuch übrig. Die Evaluation der Studierenden und die Hospitation der Tutoren hat gezeigt, dass diese Strukturierung sehr ineffizient in Hinblick auf die Zeit und das Klima ist. Im ersten Teil waren die Studierenden sehr passiv und entsprechend stark unmotiviert. Im zweiten Teil hat oftmals die Zeit gefehlt, um den Versuch vollständig zu beenden.

Da entsprechend der Lernziele der Schwerpunkt aber mehr auf Aktivierung, praktisches Arbeiten und Ausprobieren gelegt werden soll, haben wir als Methode das Flipped-Classroom-Modell gewählt, um mehr
Zeit für den eigentlichen Versuch zu schaffen. Die Studierenden sollen als Vorbereitung ein E-Skript für jeden Versuch mit thematischen Textinhalten sowie Theorie lesen und Rechenaufgaben lösen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass wir die Vorbereitungsunterlagen überarbeiten mussten. Die Inhalte des Versuchs werden im Selbststudium zuhause erarbeitet und bieten so größtmögliche Flexibilität für das eigene Lerntempo. Gleichzeitig können die hierbei erarbeiteten Grundkenntnisse als gemeinsame Voraussetzung für den Versuch angesehen werden. Indikator des Wissenserwerbs für Lernende und Lehrende ist ein obligatorischer Onlinetest (der nun mit Portfoliopunkten gewichtet ist) im Umfang von 10 Minuten. Inhaltlich orientiert sich der Test an den vorgegeben Rechen- und Verständnisfragen aus dem E-Skript. Dieser Onlinetest ist, zeitlich unabhängig, anonymisiert und randomisiert und bedient sich aus einem Aufgabenpool aus dem benannten Themenkomplex und ersetzt vollständig den Präsenztest. Der Versuch wird weiterhin mit einem Protokoll beendet, das nun jedoch auch mit Portfoliopunkten gewichtet ist. Durch die Gewichtung des Onlinetests und des Protokolls mit Portfoliopunkten lässt sich das Lernergebnis der Studierenden besser in der Abschlussnote abbilden.

Für die interne Qualitätssicherung und Überprüfung der Umstellung haben wir bei allen Tutoren eine Hospitation durchgeführt. Im Folgenden ist die Auswertung eines Praktikumsversuchs festgehalten.

Der hospitierte Praktikumsversuch umfasste 10 Teilnehmende, wovon jeder innerhalb der ersten Stunde eine Vorbereitungsaufgabe vorstellte. Die anderen Teilnehmenden wurden – wenn sie es nicht schon von vorneherein waren – durch den Tutor motiviert, die Ergebnisse kritisch zu hinterfragen und mit ihren eigenen Ergebnissen zu vergleichen. Es kam zu regen Diskussionen und tieferen Verständnisfragen. Der Tutor hat sich größtenteils passiv verhalten und wurde nur bei ungelösten Problemen aktiv. Positiv aufgefallen ist, dass sich alle mit den Aufgaben auseinandergesetzt und freiwillig ihre Ergebnisse präsentiert haben.

Hier sei kritisch erwähnt, dass bei weiteren Hospitationen oftmals 2-3 Studierende nicht vorbereitet oder unmotiviert waren. Leider ist das eher die Regel als die Ausnahme. Daher werden diese Studierenden aus Sicherheitsgründen des Praktikums verwiesen, mit der Option das Praktikum zu wiederholen.

Nachdem alle Fragen geklärt wurden, ging es an den eigentlichen Versuch. Hierzu wurden die Teilnehmenden nochmals in kleinere Gruppen zu maximal drei Personen aufgeteilt, damit die Möglichkeit gegeben ist, dass jeder sich einbringen kann. Hier zeigte sich, dass es zwei Arten von Gruppen gab. Die einen hatten einen „Leiter“, der die Initiative ergriff, während andere Gruppen sehr verhalten  waren und nicht direkt wussten, was sie machen sollen. Hier musste der Tutor aktiv werden und gezielte Anleitungen geben. Die Gruppe mit dem „Leiter“ war zwar etwas schneller, man hatte jeoch den subjektiven Eindruck, dass die Gruppenmitglieder teilweise nicht so schnell folgen konnten.

Als Fazit lässt sich sagen, dass sich das Flipped-Classroom-Modell als sehr hilfreich für das Zeitmanagement gestaltet hat. Alle Gruppen haben in der vorgegebenen Zeit alle Aufgaben bewältigen können. Weiterhin konnten die Vorbereitungsaufgaben tiefgehender diskutiert und die Studierenden zur Mitarbeit motiviert werden, was sich auch positiv in der Evaluation gezeigt hat. Der eigentliche Versuch hat nicht zur besseren Selbstständigkeit, schnelleren Erfolgen und tieferen Verständnis beigetragen, was sich in den Punkten der Protokolle wiedergespiegelt hat. Hier zeigte sich, dass die Praxis für die meisten doch sehr fremd ist und ein Skript zur Erläuterung der Realität nicht ausreicht. Die vielen neuen Aufbauten, Bauteile und Messgeräte und Herangehensweisen kann ein Skript nicht vermitteln, sodass viele Studierende überfordert waren und den Versuch in seiner Tiefe nicht verstanden haben. Dies motivierte uns unterstützende Videos (Screencasts) zur eigentlichen Durchführung und den Messgeräten bereitzustellen, was das Portfolio an  Vorbereitungsunterlagen komplettierte.

Digital, aber bitte mit Konzept: Die Podcastreihe

Ina Peters

Früher Studieneintritt mit geringer Selbstlernerfahrung in Grundlagenkursen mit mehreren hundert Studierenden. Bachelorstudierende sind häufig schlecht vorbereitet auf die universitären Anforderungen. Da die individuelle Begleitung von Studienanfängern und -anfängerinnen bei seit Jahren steigenden Studierendenzahlen kaum möglich ist, wird das Studium angepasst: stark strukturierte Lehr-Lernarrangements, klar vorgegebene Lernziele, eng umrissene Prüfungsinhalte. Die für das lebenslange Lernen erforderlichen Techniken zur selbstorganisierten Aneignung von Wissen kommen hierbei extrem kurz. Gleichzeitig werden Lerninhalte häufig eher auswendig gelernt als durchdrungen – und somit wenige Wochen oder sogar Tage nach der Prüfung wieder vergessen.

Das Lehreteam am Fachgebiet Industrielle Informationstechnik war mit dieser Situation schon lange unzufrieden, da dies kaum dem universitären Anspruch an die Ausbildung von Entwicklern und Gestalterinnen
entsprechen kann. Daher wurde sich im Projekt tu wimi plus vorgenommen, jungen Studierenden Selbstwirksamkeitserfahrungen mit Selbstlernstrategien zu ermöglichen. Konkret sollten sie die Erfahrung  machen, dass die Vorbereitung auf eine Vorlesung Anknüpfungspunkte für die Informationsverarbeitung während der Vorlesung schafft und somit aktives Zuhören ermöglicht. Aktives Zuhören indes potenziert  die Lernerfahrung während der Veranstaltung. Studierende werden dadurch von Zuhörern zu Mitdenkerinnen zu Fragenstellern und dadurch schließlich zu Mitgestalterinnen der Lehr-Lern-Situation. Das ist eine wichtige Selbstwirksamkeitserfahrung sowohl im Hinblick auf den eigenen Lernprozess als auch auf die eigene Rolle im universitären Ausbildungskontext. Solche positiven Erfahrungen hinsichtlich der Teilnahme an Lehrveranstaltungen haben eine kontinuierlichere Teilnahme zur Folge. Eine kontinuierliche aktive Teilnahme erleichtert wiederum die Prüfungsvorbereitung, da die Inhalte in semantischen kognitiven Netzen abgelegt und somit leicht wieder abgerufen werden können. Die Prüfungsvorbereitung besteht also nicht aus dem Auswendiglernen losgelöster Inhalte, sondern aus einer wiederholten Auseinandersetzung mit bereits bekannten Themen. Diese wiederholte Auseinandersetzung führt zur Festigung der semantischen Netze und zu einer langfristigen Abrufbarkeit.

Um diese lerntheoretischen Grundkenntnisse für die Studierenden erfahrbar zu machen, ohne sie dabei das Semester hindurch individuell auf ihrem Lernweg begleiten und coachen zu können, wurden zwei  digitale mediale Formate verknüpft und didaktisch in eine Grundlagenvorlesung für rund 200 Studierende im Bachelorstudium eingebettet. Bei den Formaten handelt es sich einerseits um eine Podcastreihe, andererseits um kurze E-Prüfungen. Die Podcastreihe bietet den Input zur Vorlesungsvorbereitung. Immer passend zu einem Vorlesungsthema wurde ein Experteninterview geführt, das locker in Grundbegriffe des Themas, seine Bedeutung in der Praxis und aktuelle Trends einführt. Die E-Prüfung dient dem Feedback an die Studierenden zu ihrem Lernerfolg nach dem Anhören des Podcast, wodurch ihnen der  Unterschied von passivem und aktivem Zuhören vor Augen geführt wird. Die didaktische Einbettung sah vor, dass immer eine Woche vor der Vorlesung ein neuer Podcast mit zugehörigem Quizz freigeschaltet wurde. Beides konnte nur bis zum Morgen der Vorlesung bearbeitet werden, damit die Studierenden während der Vorlesung spürbar von dem Vorbereitungseffekt profitierten. Um die Studierenden zu einer kontinuierlichen Nutzung der Podcasts und Bearbeitung der Quizze zu bewegen, was für die Erfahrung während der Prüfungsvorbereitung relevant war, wurde für jedes abgeschlossene Quizz ein Bonuspunkt vergeben, mit dem Fehler in der späteren Klausur ausgeglichen werden konnten.

Abbildung 2: Jeweils eine Woche vor der Vorlesung wurde ein neuer Podcast freigeschaltet

Die Reaktion der Studierenden war beachtlich. Immer wieder gingen unaufgefordert E-Mails beim Lehreteam ein, in der die Podcasts als tolles Lehrformat gelobt wurden. Fast 100 % der Studierenden nahmen das Angebot wahr. Bei einer abschließenden Befragung gaben fast alle 200 Studierenden an, dass sie zumindest einige der Podcasts auch dann angehört hätten, wenn es keine Bonuspunkte dafür gegeben hätte. Ob sie dies ohne die implizit angelegten positiven Lernerfahrungen durch das didaktische Konzept tatsächlich getan hätten, ist fraglich. Die Antwort spricht jedoch dafür, dass das Konzept aufgegangen ist.

Abbildung 1: Die Podcastreihe bietet den Input zur Vorlesungsvorbereitung

Erfahrungsbericht zu dem Einsatz der Audience Response Systeme (ARS)

David Dang

An dieser Stelle möchte ich Ihnen ganz kurz meine Erfahrungen zu einer der drei innovativen Methode unseres Lehrstuhls teilen. Als kurze Randnotiz ist zu erwähnen, dass zum jetzigen Zeitpunkt alle drei Projektziele erreicht wurden und wir als Lehrstuhl aus allen Methoden bereits positive Effekte für unsere Lehrqualität erkennen konnten. Zurückversetzt an meine Anfangszeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter war ich sofort vom Einsatz der Audience Response System begeistert, da der Erstellungsaufwand im Vegleich zu den anderen beiden Projektzielen nicht vorhanden war und man als Lehrende die schnellsten Effekte  erkennen konnten. In einem fast vollem Audimax mit geschätzten 800-900 Studierenden konnte die Interaktionen zwischen Dozenten und Studierenden von null auf hundert gesteigert werden!

Zur optimalen Vorbereitung habe ich den der Workshop „Publikumsjoker“ der Zentraleinrichtung Wissenschaftliche Weiterbildung und Kooperation (ZEWK) im Mai 2017 an der TU Berlin besucht. Neben den sehr hilfreichen Tipps der Kursleiterin für die Anwendung der ARS wurden Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer mehrere Systeme vorgestellt, die alle für verschiedene Situation und Vorlieben des Lehrenden ihren sehr gut passenden Einsatz finden. Parallel zu meinem Einstiegssemester als wissenschaftlicher Mitarbeiter habe ich aus meiner Sicht damit ein wunderbares Tool an die Hand bekommen, mit dem ich mit den Studierenden interagieren kann. Sicherlich ist jedem bewusst, dass Erstsemesterstudierende sich zunächst an die neue Welt der Universitäten gewöhnen müssen und folglich für die Mitarbeit in einem vollen Audimax – im nicht seltenen Fall mit 1.000 Studierenden – gehemmt sind. Wenn wir uns an unser erstes Semester zurückversetzen, können wir uns hier vorstellen, wie sich die sogenannten „Erstis“ fühlen. Gerade für mich als Übungsleiter des Moduls „Bilanzierung und Kostenrechnung“ befinde ich mich in der Situation ein – unter den Lehrenden – oft bezeichnetes „Massenmodul“ zu unterrichten. Wie hoch war der Anteil der gehobenen Hände, wenn ich Fragen ins Auditorium gestellt habe? Null Prozent!

Mit den ARS konnte ich einen eleganten und innovativen Weg gehen, die Masse an Studierenden zur Mitarbeit zu motivieren. Und je nachdem welches ARS ein Lehrender anwendet, sehen die ARS unterschiedlich und gamifiziert designt aus und wecken vor allem bei den Studierenden den großen Reiz der Challenge mit ihren Kommilitonen. Und da jeder die oder der Beste bei den Fragen sein möchte, freue ich mich immer wieder über die sehr große Teilnahme. Für die Lehrenden eines (Massen)moduls stellen die ARS einen Win für die Dozenten dar, da sie – wie auch vor den digitalen Möglichkeiten erhofft – eine guten Überblick des Wissenstandes aus Studierendensicht verschaffen können. Der Win auf der Studierendenseite ist die Mitarbeit ohne Hemmungen oder dem im Kopf verankerten „Gelächter“ der Kommilitonen, wenn sie  „dumme“ Fragen stellen oder falsche Antworten geben. Außerdem sorgt die Gamifizierung für einen sehr großen Spaßfaktor während des Einsatzes!