Digitalisierte Selbstlernangebote

Viele Wege führen nach Rom –
und manche ganz woanders hin

„Toutes Directions“ – kennen Sie diese Wegweiser im französischen Kreisverkehr, die einem nur eine einzige Ausfahrt empfehlen, ganz gleich, wohin man eigentlich will? Schon immer habe ich mich gefragt, wie das funktioniert. Norden, Süden, Osten und Westen liegen alle dort? Und wo lande ich, wenn ich doch eine der anderen Abfahrten nehme? Die universitäre Lehre scheint sich zuweilen in einen solchen Kreisverkehr zu erwandeln. Steigende Studierendenzahlen bei gleicher Ausstattung? Ein Fall für digitalisierte Lehre! Globalisierung? Digitalisierte Lehre! Heterogene Lebensmodelle? Digitalisierte Lehre! Lebenslanges Lernen? Digitalisierte Lehre! Drop-Out-Quoten, sinkender Lernstandard, heterogene Studierendengruppen? Schon klar: Digitalisierte Lehre. Eine Antwort auf alle Fragen. Wie die Zahl „42“ in „Per Anhalter durch die Galaxis“. Während es an der Zahl 42 nichts auszusetzen gibt, zeigt jedoch die Erfahrung, dass die Herausforderungen der universitären Lehre einer differenzierteren Betrachtung bedürfen.

In den vergangenen vier Jahren wurden am Fachgebiet Industrielle Informationstechnik der TU Berlin unterschiedlichste digitale Lehr-Lern-Formate entwickelt und erprobt, vom Live-Stream über Kahoot-Wettbewerbe bis zur Podcast-Reihe. Dabei zeigten einige Formate tatsächlich die gewünschten, andere brachten unerwartete Effekte mit sich und wieder andere gar keine. Was also entscheidet darüber, ob eine digitale Lösung zum Erfolg führt oder in eine Sackgasse?

Das erfahren Sie in diesem Artikel:

Für welche Probleme sind digitale Lösungen definitiv, ganz und gar und überhaupt nicht geeignet?

Leichter als Einsatzszenarien zu benennen, in denen sich digitale Lösungen positiv auswirken, finden sich in der Praxis Beispiele für Probleme, für die sie NICHT geeignet sind. So ist Digitalisierung um der Digitalisierung Willen wenig erfolgversprechend, denn vieles, was digitalisiert wird, bietet digital keinen Vorteil gegenüber der konventionellen Methode. Im Gegenteil, da der Umgang mit dem neuen Medium häufig erst erlernt werden muss, bringt eine Umstellung immer auch Unsicherheiten mit sich, sowohl auf Seiten der Lehrenden als auch der Lernenden. Neue Formate sind fehleranfällig. Und von prinzipiell  leistungsstarken (oft kostspieligen) digitalen Lernumgebungen wird oft nur ein Bruchteil der Funktionen überhaupt genutzt – und zwar jener, der schlicht das Bekannte und Althergebrachte digital abbildet: Der Reader wird nicht mehr im Copyshop hinterlegt, sondern in der Cloud. Noten werden nicht mehr am schwarzen Brett ausgehängt, sondern können im Management-System der Universität eingesehen werden. Ganz  mutige Dozentinnen und Dozenten treffen sich mit ihren Studierenden nicht mehr im Seminarraum, sondern im virtuellen Raum von Webex und Co.

Bis auf eingesparte Wegezeiten, bietet diese reine Übertragung der physischen Lehre in die Virtualität aus didaktischer Sicht keinen Mehrwert. Das hat auch das digitale Semester unter den spontan-digitalen Bedingungen der Corona-Pandemie gezeigt, durch die sich einer Studie der Humboldt-Universität Berlin zufolge 57% der Studierenden deutlich belastet fühlte bzw. dies auch noch für die Zukunft antizipiert [1].
55% gaben an, die Qualität der digitalen Lehre sei ganz klar schlechter als die der Präsenzlehre im Semester davor. Lediglich 10 % fanden die digitale Lehre besser. Wir können also bereits festhalten, für welche Probleme Digitalisierung NICHT geeignet ist, nämlich für das Problem technikbegeisterter, didaktisch zielloser Modernisierungsfantasien.

Ein weiteres Problem, für das digitale Lösungen nur bedingt geeignet sind, ist eine schlechte konventionelle Lehre, die sich wie von Geisterhand durch ihr digitales Duplikat vom hässlichen Entlein in den strahlenden Schwan verwandeln soll. Eine wenig emphatische Vorlesung wird nicht dadurch interessanter, dass sie im Life-Stream abgehalten wird, und die Verständnisschwierigkeiten von Studierenden in lieblos
konzipierten Tutorien verflüchtigen sich ganz gewiss nicht dadurch, dass in der Online-Version des Tutoriums die direkte Kommunikation mit der Tutorin in einen Chat ausgelagert wird. Wer digital lehren möchte, muss sich darüber im Klaren sein, dass sich der Anspruch an die Aufbereitung der Lehrinhalte nicht durch ein moderneres Erscheinungsbild wegdigitalisieren lässt. Um es in einer gängigen Metapher auszudrücken: Brokkoli bleibt Brokkoli, auch wenn er unter einer Schokoglasur steckt. Aber wie das folgende Beispiel zeigt, kann die vielbeschworene Digitalisierung auch Anlass sein, sich mit dem Brokkoli unter der Glasur zu beschäftigen und ihn zumindest neu zu würzen.

Bessere Noten durch E-Klausuren!?

Am Fachgebiet IIT wurde die Bedeutung guter konventioneller Lehre für die Digitalisierung an ganz unerwarteter Stelle sichtbar. Für einen großen Bachelor-Kurs, für den regelmäßig mehrere Hundert  Klausuren korrigiert werden mussten, was ein ganzes Team von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Lehrstuhls stets eine Woche in Beschlag nahm, wurde die Prüfung in eine E-Klausur  umgewandelt. Es gab ohnehin viele Multiple-Choice-Fragen – eine digitale Auswertung, zumindest der geschlossenen Fragen, bot sich also an. Der Aufwand der Umstellung erwies sich erwartungsgemäß als groß. Nicht nur mussten sämtliche Fragen in einen digitalen Fragenkatalog überführt und in der digitalen Prüfungsumgebung den richtigen Funktionen zugeordnet werden, deren Bedienung überdies zuerst erlernt werden musste. Womit das Team jedoch nicht gerechnet hatte war, dass darüber hinaus viele der über Jahre entwickelten Klausurfragen sich bei genauerer  Betrachtung als missverständlich oder gar fehlerhaft erwiesen. Der neue Blickwinkel, der sich dadurch ergab, dass die Fragen auf ihre Eignung für unterschiedliche Umsetzungsmöglichkeit der digitalen Fragentypen geprüft wurden, förderte eine ganze Reihe von Schwächen im Prüfungskatalog zutage, die in der klassischen Paper-and-pen-Variante nie aufgefallen waren. So war die Umstellung der Prüfungsform auf die E-Klausur das erste nach einer ganzen Reihe didaktischer Experimente im Rahmen des Projekts, das zu einer signifikanten Verbesserung der Prüfungsleistung der Studierenden führte – was nie die Intention der Umstellung gewesen war. Glücklicherweise hatte die Umstellung daneben auch den gewünschten Effekt, den Korrekturaufwand für das Lehre-Team deutlich zu reduzieren. Einerseits lag das an der automatisierten Korrektur eines Großteils der Prüfung und an leserlichen Antworten in den Freitextfeldern. Andererseits ergeben sich aus verständlicheren Fragen auch verständlichere Antworten.

Abbildung 1: Prüfung mittels E-Klausur

Wie finden Sie das richtige Problem für Ihre Lösung?

Wenn also die flächendeckende Verlagerung von Lehr-Lern-Arrangements in den virtuellen Raum die Lernsituation für die Studierenden, wie unter den Pandemiebedingungen geschehen, eher verschlechtert, wo liegt dann ihr Potenzial? Zunächst einmal muss anerkannt werden, dass das Sommersemester 2020 trotz aller Widrigkeiten ohne eine solche Verlagerung gar nicht hätte stattfinden können. Somit zeigt sich schon hier eine klare Stärke digitaler Lehre: Wenn die Teilnahme an der Präsenzlehre unmöglich ist, bietet die digitale Lehre doch zumindest die Chance, überhaupt – ob nun live oder asynchron – relativ unkompliziert
zu lehren und zu lernen. Was in Corona-Zeiten alle betraf, gilt auch zu vermeintlich normalen Zeiten für einen großen Teil der Gesellschaft, der bei reiner Präsenzlehre einen erschwerten oder auch gar keinen Zugang zu einer universitären Ausbildung hätte. So haben 6 % der Studierenden mindestens ein Kind, 11% leben mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen und 69 % arbeiten neben dem Studium [2]. All das kann mit einer auf Vollzeitstudierende ausgerichteten Präsenzlehre schwer vereinbar sein. Menschen, die aufgrund solcher oder ähnlicher Bedingungen ihren Weg in die Universitäten gar nicht erst finden, sind in dieser Statistik noch nicht einmal enthalten. So gesehen könnte digitale Lehre also zu mehr Bildungsgerechtigkeit beitragen, wenn die Präsenzlehre zumindest um Hybridangebote ergänzt wird.

Volles Haus bei reichlich Platz

Während des digitalen Sommersemesters 2020 beobachtete das Lehreteam am Fachgebiet IIT ein Phänomen, das in universitären Vorlesungen selten zu beobachten ist: In der Vorlesung „Grundlagen der Industriellen Informationstechnik“ waren die Bänke des virtuellen Hörsaals bis zum Semesterende rappelvoll. Sämtliche Vorlesungen des Fachgebiets wurden sowohl als Live-Stream zum  jeweiligen  Vorlesungstermin als auch zum späteren Anschauen auf der Lernplattform angeboten. Obgleich die Studierenden im Gegensatz zur Präsenzlehre also die Möglichkeit hatten, die Vorlesung zu einem  beliebigen Zeitpunkt anzuschauen, erschienen sie in großer Zahl zum Live-Stream. Während der Professor seine Präsenzvorlesung in der zweiten Semesterhälfte vor rund 20 der angemeldeten 200 Studierenden zu halten pflegte, waren virtuell im Durchschnitt 85 Studierende in der Live-Veranstaltung und ggf. schauten sich weitere die Aufzeichnung später an. Das zeigt einerseits, dass nicht  unbedingt der festgesetzte Zeitpunkt einer Veranstaltung ein Hinderungsgrund für die Teilnahme sein muss, sondern oft genug der Ort ausschlaggebend ist. Der Effekt des Ortes mag besonders stark ausgeprägt sein, wenn die Veranstaltungen, wie im Fall des Fachgebiets IIT, nicht am Hauptcampus durchgeführt werden, sondern zusätzliche Wegezeiten erfordern.

Doch bieten neue mediale Formate nicht auch ganz neue didaktische Möglichkeiten? Entspricht das Lernen im Internet nicht den Youtube- und Wikipedia-Gewohnheiten der jungen Generation? Das täte es eventuell tatsächlich, wenn denn Lehrinhalte auch im Youtube- oder Wikipedia-Format dargeboten würden, also kurz und knackig und gut verlinkt zu ebenso kurzen und knackigen Angeboten zu allem erforderlichen Kontextwissen. Wir erinnern uns: Nur, weil wir ein Digitalfoto von der Ente machen, erscheint sie auf der Fotografie nicht als Schwan. „Form follows Function“ – das gilt in der Lehre allemal.

Die Frage darf also auch nicht unausgesprochen lauten: Wie finde ich das richtige Problem für die digitale Lösung, die ich schon immer einmal ausprobieren wollte? Vielmehr bedarf es einer sehr genauen Vorstellung von dem Problem, das behoben werden soll. Diese Lösung kann dann entweder digital oder analog ausfallen, was immer den größten Effekt verspricht. Das zeigt auch das folgende Beispiel:

Vom Problem zum Problem zur Lösung

In einem Tutorium, in dem jedes Semester mehr als 100 jungen Ingenieur-Studierenden die Grundlagen der C++-Programmierung vermittelt werden soll, wurde stark investiert, um das mittelmäßige  Lernergebnis der Studierenden zu steigern. Der Betreuer der Veranstaltung bildete sich umfassend fort und gestaltete das Tutorium nach den neuesten Erkenntnissen der Didaktik um. Das ganze  Semester über wurde in Kleingruppen häppchenweise anhand von Kurzvorträgen und Live-Demonstrationen, in Übungen vor Ort und Wiederholungen zu Hause auf ein anschauliches Anwendungsbeispiel hingearbeitet: die Programmierung eines technischen Geräts mit Spaßfaktor, einer Drohne. Mit dieser Drohne mussten die Studierenden Herausforderungen meistern, indem sie mit ihr Parcours in den Gängen der Universität geschickt durchflogen. Am Anfang jedes Tutoriums wurden die Inhalte der letzten Sitzung wiederholt, und zwar in Form eines Kahoot-Quizzes, einer Art Publikumsjoker aus „Wer wird Millionär“ für den Seminarraum. Auch dies geschah in den Teams als Wettbewerb über das ganze Semester hinweg, an dessen Ende das Siegerteam gekürt werden sollte. Bedauerlicherweise führten all diese Neuerungen weder zu besseren Klausurergebnissen, noch zu einer geringeren Abbruchquote.

Im Rahmen des tu wimi plus-Projekts wurden Leitfadeninterviews mit allen Mitgliedern des Lehre-Teams am Fachgebiet durchgeführt, um Schwächen und Bedarfe der Lehre zu identifizieren. So kam neben der Überlastung des Teams durch Klausur-korrekturen u. a. auch die unerklärliche Resistenz der Studierenden gegen motivationssteigernde Maßnahmen im Programmierkurs zur Sprache. Der Sache sollte auf den Grund gegangen werden, indem zuerst die  Probleme der Studierenden identifiziert wurden, dann die dafür ursächlichen Probleme der Lehrveranstaltung, für die schließlich eine adäquate Lösung entwickelt werden sollte. Ein Semester lang wurden die Studierenden nach jeder Sitzung anonym befragt, als wie schwer sie die Sitzungsinhalte empfanden und wie gut sie zum jeweiligen Zeitpunkt ihrer Meinung nach im Tutorium mitkamen. Diese Bewertungen wurden mit den Klausurergebnissen zu den einzelnen Sitzungsinhalten abgeglichen. Außerdem wurde die Anwesenheit erfasst. Dadurch wurde deutlich, dass motivationssteigernde Maßnahmen keine Verbesserung nach sich zogen, weil das Problem nicht in einer mangelnden Motivation der Studierenden lag. Stattdessen zeigte sich, dass der empfundene Schwierigkeitsgrad im Tutorium nicht, wie in den meisten Lehrveranstaltungen, mit der Komplexität des Themas kontinuierlich zunahm, sondern sprunghaft mit der Einführung eines konkreten Themas (der Objektorientierung, für alle, die es genau wissen wollen). Offenbar gelang es dem Tutorium nur bedingt, den Perspektivwechsel der Programmierung, der mit dem Thema einhergeht, verständlich zu machen.

In einem ersten Lösungsversuch wurde ein Schnelldurchlauf des Tutoriums mit dem für Ingenieurstudierende bekannteren Anwendungsbeispiel eines Autos digital erstellt und als Zusatzangebot auf der Lernplattform bereitgestellt. Das brachte jedoch keine Verbesserung, da die ausgelasteten Studierenden freiwillige Zusatzangebote in der Regel kaum annehmen. Auch konnte das Problem der  Misskonzepte von Programmierung allein durch ein anderes Anwendungsbeispiel nicht gelöst wurden. Erst als im digitalen Semester das gesamte Tutorium über Erklärvideos und digitale Sprechstunden abgehalten wurde, verbesserte sich das durchschnittliche Klausurergebnis von 3,1 auf 2,7 und die Durchfallquote halbierte sich von 14,1% auf 7,7%. Eine Abbruchquote konnte im  digitalen Semester nicht eindeutig erfasst werden, doch trat ein deutlich höherer Anteil der für den Kurs eingeschriebenen Studierenden als sonst die Klausur an. Die Gründe dafür liegen nach Meinung des Lehre-Teams zum einen in der Möglichkeit, die ausführlichen digitalen Tutorien an unklaren Stellen beliebig oft anzuschauen. Im Durchschnitt wurden die Tutorien dreimal pro Studierenden  angesehen, das Tutorium zur objektorientierten Programmierung noch deutlich öfter. Zum anderen wurden die Übungen zwar in Teams bearbeitet, jedoch nicht zu dritt an einem gemeinsamen Rechner wie sonst im PC-Pool des Fachgebiets, sondern remote an den eigenen Rechnern. So war es allen Studierenden möglich, die Aufgaben im individuellen Tempo zu bearbeiten, anstatt dass leistungsschwächere Studierende unter Umständen abgehängt und schweigend neben den stärkeren Teammitgliedern saßen, die „das mal eben schnell fertig machen“.

Was kommt bei Studierenden richtig gut an?

Eine Antwort auf die Frage, welche digitalen Lehrformate Studierenden gefallen, lautet „neue Formate“. Menschen verabscheuen die Monotonie. Abwechslung erzeugt Neugierde und Interesse. Sie motiviert zur
Teilnahme und bindet Aufmerksamkeit. Diese Erfahrung durften alle Lehrenden machen, die das Vergnügen hatten, als erste Kahoot, Quizlet oder ein ähnliches Quizz-Tool in einer Lerngruppe anzuwenden. Begeistert zücken die Studierenden die endlich einmal geduldeten Handys, geben sich lustige Nicknames und warten gespannt auf die erste Frage. Eine solche Begeisterung für Multiple-Choice-Aufgaben erlebt man selten. Jeder und jede darf einen Tipp abgeben, dann wird das richtige Ergebnis angezeigt – und die Verteilung der getippten Antworten unter den Lernenden. Aufstöhnen, Lachen, Diskussionen … Kaum ein Projektseminar erreicht ein Engagement, wie es ein solches neues digitales Quizz in einer Vorlesung oder einem Tutorium punktuell vermag. Leider ist „neu“ ein ausgesprochen flüchtiges Attribut. Und so mussten
auch zahlreiche Lehrende die Erfahrung machen, dass das liebevoll vorbereitete Quizz in der dritten Sitzung schon deutlich weniger Begeisterung hervorrief und sich in der achten kaum noch jemand die Mühe
machte, das Handy hervorzuholen um teilzunehmen.

Eine andere und nachhaltigere Antwort ist wie bereits erwähnt „Formate, die einen Mehrwert bieten“. Sie können leichter rezipierbar sein, wie im Fall von einfachen Animationen statt überbordenden Grafiken oder vollgeschriebenen Folien. Sie können Studierenden Zeit geben, in ihrem eigenen Tempo zu arbeiten, sich also z. B. komplizierte Inhalte mehrmals erklären zu lassen oder einen Vortrag zu pausieren, wenn sie etwas recherchieren müssen, wie im Fall aufgezeichneter Tutorien, statt jener Präsenztutorien, die im vorgegebenen Zeit-Slot von 90 Minuten abgearbeitet sein müssen, weil der nächste Kurs schon vor dem Raum steht und der Tutor für Überstunden nicht bezahlt wird. Sie können eine flexiblere Lebensgestaltung ermöglichen und kostbare Lebenszeit einsparen wie im Fall asynchroner digitaler Veranstaltungen im Gegensatz zu Präsenzveranstaltungen, zu denen man ebenso lang hinfährt wie man dort ist.

In unserem Projekt haben wir gute Erfahrung mit einer Podcastreihe zur Lehrveranstaltung gemacht. Den Erfahrungsbericht finden Sie auf Seite 114.

Zum Schluss: Rom oder doch lieber Bottrop?

Digitalisierung in der Lehre ist kein Allheilmittel. Sie muss einen deutlichen Mehrwert bieten, indem sie etwas zur Lösung eines klar umrissenen Problems beiträgt. Dieser Mehrwert muss so groß sein, dass er den Aufwand der Einarbeitung in die digitale Umgebung und die Produktion komplett neuer Lehrmaterialien rechtfertigt. Inhalte müssen für das neue Medium angepasst werden. Was physisch funktioniert, wirkt digital
mitunter völlig anders. Wer einmal versucht hat, eine Tagung als Webkonferenz zu verfolgen, oder sämtliche Regeltermine in Webmeetings umzuwandeln, der weiß, wieviel anstrengender die digitale Lösung ist. Dem müssen digitale Lehrformate Rechnung tragen. Und wenn wir uns eingestehen müssen, dass der Mehrwert einer reizvollen technischen Spielerei begrenzt ist, sollten wir den Mut haben, im Kreisverkehr der universitären Lehre einfach mal eine andere Ausfahrt als die Digitalisierung zu nehmen. Viele Wege führen nach Rom, aber manche auch ganz woanders hin. Und da ist es mitunter noch viel schöner. Wichtig ist und bleibt, dass das Ziel, gute Lehre zu machen und die Motivation der Studierenden zu erhöhen, nicht aus den Augen verloren wird.

Fachgebiet Industrielle Informationstechnik

Leitende*r:

Prof. Dr.-Ing. Rainer Stark
Sekretariat PTZ 4
Pascalstraße 8-9
10587 Berlin
rainer.stark@tu-berlin.de

Projektbeteiligte:

Prof. Dr.-Ing. Rainer Stark
M. A. Ina Peters