Battle Bilanzierung – Besser Büffeln mit Gaming-Elementen

Was versteht man unter „guter Lehre“? Für mich ist eine gute Lehre wie ein leckerer Obstsalat. Ein Obstsalat als solcher wächst aber nicht auf Bäumen. Man benötigt dazu mehrere Obstsorten, wie Äpfel oder Bananen etc., und somit benötigt eine gute Lehre auch verschiedene Kompetenzen, wie Kommunikations- oder Präsentationsfähigkeiten und noch viele andere sehr wichtige „Zutaten“.

Welche Kompetenzen benötigt nun ein Lehrender im digitalen Zeitalter?

Gerade in Zeiten der Generation Millenials oder Z bedarf es meiner Meinung nach eines speziellen Obstsalats. Wer hätte vor paar Jahren gedacht, dass es ausreicht, nach links oder rechts auf einer Smartphone-App zu wischen, statt seinen Mut zusammenzufassen und jemanden persönlich mit Augenkontakt anzusprechen, um diese Person kennenzulernen? Mit einer neuen Studierenden-Generation stellen sich folglich nicht nur die Studierenden, sondern vor allem die Lehrenden einer neuen Bildungsherausforderung. Für diesen neuen digitalen Weg müssen beide Seiten zusammenarbeiten, um die Lehr- und Lern-Qualität hochzuhalten.

Die drei folgenden digitalen Methoden – mit dem Fokus der Gamification – des Lehrstuhls für Controlling und Rechnungslegung zielen genau auf diese Lehr-Lern-Qualität ab. Der Wunsch dieser Innovation ist es, den Weg des digitalen Zeitalters gemeinsam mit den Studierenden zu beschreiten.

Das erfahren Sie in diesem Artikel:

Audience Response Systems – in jeder Übung der Schlauste sein!

Wer kennt nicht die folgende Situation: Ein*e Dozent*in stellt in ihrer/seiner aktuellen Veranstaltung eine Frage in den Raum voller Studierenden. Sie oder er spricht dabei nicht selten mehrere hundert Studierende an. (Im hier betrachteten Modul ist es nicht ungewöhnlich die Übung vor 800-900 Studierenden durchzuführen.)

Welche Intention verfolgt der Lehrende – in diesem Fall ich – mit der Frage in den Raum und damit dem direkten Ansprechen der Studierenden? Eine reine Frontbeschallung, wie früher die ursprünglichen Vor-lesungen waren, mündet in fehlende Interaktion zwischen Lehrenden und Studierenden. Um diese zu fördern, versuche ich mit den Studierenden zu kommunizieren und möchten sie auffordern, ihre Gedanken- gänge völlig frei von Hemmungen kundzutun.

Was fühlen die Studierenden – bei mir sind es die frischgebackenen Abiturient*innen und folglich Erstse-mesterstudierende – auf der Gegeneite in dieser Situation? Hemmungen? Gedanken, wie „Oh Gott, hof-fentlich wird der Finger von Herrn Dang nicht auf mich zeigen.“? Ich denke, jede*r von Ihnen kann sich vorstellen, dass diese Situation für einen jungen Studierenden sehr stressig wirken kann, da man ja bloß keine falsche Antwort vor mehreren hundert Studierenden geben möchte. Die Lehrenden können sich in solchen Situationen glücklich schätzen, unter der Masse an Erstsemesterstudierenden einen gehobenen Finger zu entdecken. In der Regel resultiert diese Situation in keiner Meldung und der Lehrende beantwortet die Frage für das Auditorium – oder doch nur für sich ? – selbst.

Um aus dieser Situation eine aus beiden Seiten gesehenen Win-Win-Situation zu schaffen, greife ich auf den Einsatz von Audience Response Systemen zurück. Viele von Ihnen kennen diese Methode als „Publikumsjoker“ aus Quizshows wie „Wer wird Millionär?“. Die aus meiner Sicht optimalen Audience Response Systeme (ARS) sind „Kahoot“ und „Socrative“. Jedes System hat seine Vorteile, sodass ich in meinen Übungen je nach Bedarf und Art der Frage, die ich stellen möchte, zwischen beiden Systemen alterniere. Meiner Erfahrung nach eignet sich Kahoot sehr gut, wenn der Lehrende darauf abzielt, dass jeder Studierender gegen jeden Studierenden spielen soll. Das Design von Kahoot ist bunt, aber im Gesamteindruck schlicht gehalten, sodass die Studierenden in der Bedienung mit Informationen nicht „überladen“ werden. Je nach Nickname des Studierenden, werden die besten drei Studierenden mit diesem Namen am Ende der Fragenauswertung auch auf ein Siegertreppchen dargestellt. Socrative dagegen findet aus meiner Sicht seinen optimalen Einsatz, wenn die Studierenden in Teams gegeneinander antreten sollen. Dazu teile ich abhängig von den Sitzblöcken meines Auditoriums meine Studierenden in 2 oder max. 3 Teams ein.

Jedem Team ordne ich eine Farbe zu, die im großen Bildschirm auch für alle ersichtlich ist. Socrative bietet eine breite Auswahl, um den Teams ein Icon zuzuordnen, wie bspw. ein Pferd, ein Einhorn oder eine Rakete. Eine weitere Empfehlung meinerseits für den Einsatz von Socrative ist, keine einzelne Frage zu erstellen, sondern eine Challenge zu generieren, in der die Teams mehrere Fragen beantworten müssen, um so auf der Leinwand den jeweiligen Fortschrittsbalken des Teams zu sehen. Wenn man als Lehrender hier bspw. das Pferd als Icon wählt, können die Studierenden so ein klassisches Pferderennen auf dem Bildschirm beobachten und sich so selbst anfeuern, was nicht nur Spaß, sondern vor allem auch Lerneffekte mit sich bringt.

Frage "Wie bewerten Sie Ihr Wissen zu diesem Thema nach der heutigen Übung?" mit vier abgestuften Antwortmöglichkeiten im Kahoot Layout.
Abbildung 1: Beispielaufgabe Kahoot

Seit dem ersten testweisen Einsatz der Audience Response Systeme im Sommersemester 2017 erfährt diese Methode eine sehr positive Resonanz unter meinen Studierenden. Mit Kahoot und Socrative schaffe ich 80 bis 95 % des Auditoriums zu aktivieren und für die Mitarbeit zu motivieren. Der Win für mich stellt der Einblick in den gewonnenen Wissensstand des Auditoriums dar, woraufhin ich meine nächsten Folien und Übungen planen kann. Der Win auf der Studierendenseite ist die Möglichkeit der Mitarbeit ohne Hemmungen und das Beantworten der Fragen mit viel Spaß und Freude.

E-Tests als Airbags – im Semester Stress und Lernaufwand dämpfen

Unsere Umstellung des Moduls zu einer Portfolioprüfung erfolgte erstmalig im Sommersemester 2019. Die rein schriftliche Klausur als Abschluss des Grundlagenmoduls „Bilanzierung und Kostenrechnung“ wurde durch diese Prüfungsform ersetzt. Sie fragen sich jetzt bestimmt: Wieso eigentlich der erhöhte Aufwand einer mehrteiligen Prüfung von knapp 1.000 Studierenden in unserem Modul statt einer schnell erstellten Klausur wie in den letzten Jahrzehnten?

Abbildung 2: Beispielaufgabe Online-Test

Mit dem Einsatz der E-Tests streben wir eine Minderung des Stresses und des Lernaufwandes für die Studierenden an. Zum einen erhoffen wir uns auf der Lehrstuhlseite, dass Studierende über das ganze Semester motiviert bleiben und sich stetig mit unserem Lehrinhalt beschäftigen. Zum anderen fangen die E-Tests den Lernaufwand zum Ende des Semesters ab, da die gefragten Inhalte der E-Tests im abschließenden Test nicht mehr geprüft werden. Da Studierende in der Regel mehr als ein Modul pro Semester hören, dämpfen wir mit dieser Maßnahme den Gesamtdruck für die Studierenden, der erfahrungsgemäß in der Prüfungsphase das Semestermaximum erreicht.

Es werden pro Semester zwei E-Tests im Umfang von jeweils 10 Punkte gestellt und als Abschluss dann noch ein 80 Punkte umfassender schriftlicher Test. Die E-Tests bzw. Online-Tests werden im ISIS-System der TU Berlin umgesetzt. Hierfür war insbesondere der Workshop „E-Prüfungen“ der Zentraleinrichtung Wissenschaftliche Weiterbildung und Kooperation (ZEWK) an der TU Berlin für mich persönlich sehr hilfreich. Unter anderem konnte ich viel Wissen bzgl. der Organisation gewinnen. Hierfür nutze ich auch die in diesem Workshop ausgeteilten Checklisten mit den To-Do’s vor einer E-Prüfung.

Für den Einsatz der E-Tests wurden seit meiner Anstellung im Februar 2017 ungefähr 600 Aufgaben erstellt. Für die Generierung der Aufgaben waren und werden Tutor*innen, meine Kollegin und ich verantwortlich sein. Dieser Aufgabenpool wächst stetig pro Semester.

Bis heute konnten wir für das Sommersemester 2019, das Wintersemester 2019/2020 und das Sommersemester 2020 die E-Tests erfolgreich umsetzen. Die bisher ausgewerteten Daten sprechen dafür, dass für unser Grundlagenmodul ein positiver Trend in der Bestehensquote und Durchschnittsnote zu erkennen ist.

Appcounting – mit unserer lehrstuhleigenenApp das komplette Modul auf einem Endgrät!

Das letzte Projektziel für die Unterstützung unserer Lehre durch die Digitalisierungsmaßnahmen ist die Entwicklung einer Lern-App – namens „appcounting“ – für die Betriebssysteme iOS und Android. Die App bietet den Studierenden die drei folgenden Funktionen, in denen sie ihr Wissen testen und erweitern können:

  • Im Üben-Modus spielen die Studierenden Kapitel für Kapitel frei. Hierfür müssen die Studierenden eine gewisse Anzahl an richtigen Antworten pro Kapitel abgegeben haben. Die Kapitel entsprechen die Themen, die die Lernenden bereits aus der Vorlesung und Übung kennen.
  • Im Duell-Modus können die Kursteilnehmer*innen ihr Wissen gegen andere Studierende, die in der App angemeldet sind, beweisen. Sie können sich so im Ranking hocharbeiten und ihren Kommilitonen zeigen, wer die oder der Beste im Semester ist.
  • Im Kartkeikarten-Modus haben wir als Lehrstuhl pro Kapitel bereits vorangefertigte Lernkarten vorbereitet. Selbstverstandlich können die Studierenden zu jedem Kapitel Ihre Lernkarten individuell erweitern. So können sie, egal wo sie sind, testen, wie fit sie mit den Begriffen aus Bilanzierung und Kostenrechnung sind.
Smartphone-Bildschirm mit den drei Modi zur Auswahl, "Üben", "Duell" und "Karteikarten".
Abbildung 3: Appcounting Startbildschirm (iOS)

Die App soll in unser Lehrkonzept integriert werden und den Studierenden das Lernen spielerisch zu jeder Zeit und an jedem Ort ermöglichen. Für dieses Vorhaben haben viele Tutor*innen unseren Lehrstuhl toll unterstützt. Das Aufgabenspektrum beinhaltete das Erstellen von Rechenaufgaben bis Lernkarten und die großartige Entwicklung und Programmierung der beiden App-Versionen.

Meine Aufgaben im Zuge des Ziels der Lern-App liegen weniger in der Programmierung, sondern mehr in der Zusammenarbeit mit den Tutor*innen. Zum Beispiel diskutiere ich mit den Tutor*innen, welche Umsetzungen überhaupt möglich sind oder unterstütze diese im Review der Rechenaufgaben. Ich sorgte außerdem dafür, dass wir gemeinsam den festen Zeitrahmen im Blick behielten und analysierten, was darin realistisch umsetzbar war und was nicht.

Weiterhin liegen meine Aufgaben im Bereich der „Werbung“ und der Bekanntmachung dieses Innovationszieles innerhalb der TU Berlin und auch an anderen (Fach)hochschulen, wenn die Möglichkeiten bestanden, unser Projekt an der Veranstaltungsreihe „Tag der Lehre“ zu präsentieren und mich dann im Abschluss mit deutschlandweiten Lehrenden zu connecten.

Mit großer Freude konnte unser Lehrstuhl im Mai 2020 „appcounting“ in erster Version den Studierenden zur Verfügung stellen. Das Sommersemester 2020 stand durch die Corona bestimmten Bedingungen unter dem Motto des digitalen Semesters. Kaum etwas passt besser zum Buzzword „digital“ als die Entwicklung von Apps, sodass aus der Sicht der App der Launch in diesem Semester einen passenden Zeitpunkt fand. Mit der ersten „appcounting“-spezifischen Evaluation konnten wir als Lehrstuhl sehr viele mehrwertbrin-gende Eindrücke aus Studierendensicht gewinnen. Die App ist auf positive Resonanz gestoßen und ist derzeit im App und Google Play Store als gute App bewertet.

Anbei finden Sie exemplarische und anonymisierte Bewertungen der App:

  • „Die App war eine super Hilfe für die Vorbereitung auf die E-Tests. Vielen Dank!“
  • „Die App ist wirklich gut gemacht und hilft dabei kontinuierlich den Stoff zu wiederholen.“
  • „Die Idee der App ist fantastisch.“

Ferner waren die Bewertungen der Studierenden für die Verbesserungen der nächsten App-Version sehr hilfreich. An den Bugs wurde bereits gearbeitet und viele sind auch schon behoben worden. Das Update der App war kurz vor Wintersemesterstart in einem sehr gut fortgeschrittenen Zustand. Zu Beginn des Wintersemesters 20/21 konnten wir den Studierenden eine geupdatete und fehlerfreie Version von „appcounting“ bereitstellen.

Leitende*r: Prof. Dr. Maik Lachmann
Sekretariat H 68
Straße des 17. Juni 135
10623 Berlin
maik.lachmann@tu-berlin.de

Projektbeteiligte: Prof. Dr. Maik Lachmann,
M. Sc. David Dang