Dobrindts neues „Sicherheitspaket“ wird von allen Seiten kritisiert: Die geplante automatisierte Gesichtserkennung und die polizeiliche Datenanalyse fallen bei IT- und Menschenrechtsexperten durch. Das Innenministerium hat eingeräumt, Palantir-Software zu prüfen. Experten lassen auch daran kein gutes Haar, die Palantir-Nutzung sei die „schlechteste Wahl“.
Schlagwort: Überwachung
Transparente Nasszellen: Von WikiLeaks zu PipiLeaks
Hier mal etwas anderes.
Ein unterhaltsamer Beitrag der Kontext-Wochenzeitung aus Stuttgart über den Trend zu mit Glaswänden abgetrennten Mini-Bädern in Hotels:
„Wer sich in einem solchen Glaskasten wie ein menschlicher Gecko die Zähne putzt, duscht, defäkiert oder andere Dinge tut, die Menschen im Privatissimum der Nasszelle so zu tun pflegen, tut dies nicht mehr an einem der letzten Zufluchtsorte der Privatsphäre, die uns in der 24/7-Überwachungsgesellschaft geblieben sind.
Vielmehr tut er es als gläserner Reisender in einer Umgebung, die in mehrfacher Hinsicht symbolisch für unsere Gegenwart ist.“
Ist das die Transparenz, von der immer alle reden?
Weiterlesen:
Netzpolitik.org – Gegen den Trend: Überwachung ist die Mutter aller Probleme
Grundrechte statt Überwachung zu fordern, liegt gerade nicht im Trend. Doch der markige Ruf nach mehr vermeintlicher Sicherheit gefährdet unsere Gesellschaft. Deshalb halten wir dagegen. Das geht nur dank eurer Unterstützung.
Weiterlesen bei Netzpolitik.org
Und es gibt viele Überwachungs-„Weihnachtsgeschenke“- Beiträge bei netzpolitik.org:
- Videoüberwachung des öffentlichen Raums: Jetzt soll die Echtzeit-Gesichtserkennung kommen
- Schwarz-grüne Landesregierung: Schleswig-Holstein führt gleich mehrere Arten von Gesichtserkennung ein
- Verhandlungen zur Chatkontrolle: Entscheidung auf kommende Woche vertagt
- Vorratsdatenspeicherung und Biometrie: Union und SPD wollen Überwachung noch vor Neuwahl ausbauen
- Justizministerkonferenz: Zweitschlüssel für Autos und mehr Staatstrojaner bitte
Versuchskaninchen Profifussballer*in – Die Vermessung des Sports
Datenschutzbedenken gab es mit den ersten Fitnesstrackern – aber für die Nutzenden sind sie praktisch, da die eigenen Werte und Perfomancedaten leicht zugänglich und auswertbar sind.
Aber eben auch für Dritte: Nicht nur die Anbieter selbst, die sich häufig Verwertungsrechte der in ihrer Cloud gespeicherten Fitness- und Trackingdaten einräumen, es gibt viele Interessierte: Krankenkassen, Versicherungen oder potentielle Arbeitgeber – denn aus den gesammelten (Gesundheits-)daten lassen sich viele Rückschlüsse ziehen.
Im Profisport hat die Vermessung der Sportler*innen ein ziemliches Ausmaß angenommen.
Offensichtlich wird es im Fussball:
- Sensor-bestückte Trikots und Brustgürtel-Tops sammeln Fitnessdaten (z.B. Puls, Atemfrequenz, Position und Beschleunigung),
- Bewegungen der Spieler*innen werden mit KI-unterstützter Kameraüberwachung ausgewertet,
- Genaue Arm- und Beinbewegungen können aus den Videodaten errechnet werden. Bei der Euro 2024 werden Abseits und Handspiele damit überprüft.
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Chatkontrolle auf Eis, freiwillige Kontrolle soll verlängert werden
Nachdem sich Ende 2023 keine Einigung unter den Mitgliedsstaaten abzeichnete, wird die verpflichtende Chatkontrolle keine Gesetzeskraft vor der EU-Wahl im Mai erhalten.
Die derzeitige Ausnahmeregelung nach der Anbieter wie Meta und Microsoft Chatinhalte auf Kinderpornographie scannen dürfen, soll über August 2024 hinaus verlängert werden.
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Datenschutz blockiert nicht – er ist unentbehrlich für die Verarbeitung personenbezogener Daten
In den Medien kocht die Kritik an Datenschützern hoch – sie seien die Verhinderer von Innovation und bremsen die Wirtschaft aus.
Ganz im Sinne der FDP, die es mit Ihrem Wahlspruch auf den Punkt brachte:
Digitalisierung first, Bedenken second
(Am Rande: Erfreulicherweise werden mittlerweile auch in der FDP wieder vermehrt Grundrechte eingefordert, beispielsweise um den Überwachungsstaat einzuhegen.)
Aktuell polemisiert Sascha Lobo im Spiegel gegen den Datenschutz, dabei geht es ihm inhaltlich insbesondere um die Unfähigkeit der deutschen (Ministerial-)Bürokratie und das Scheitern öffentlicher IT-Projekte wie dem E-Rezept.
Dafür Datenschützer verantwortlich zu machen ist jedoch weit hergeholt.
Richtig ist, dass der Schutz von Persönlichkeitsrechten oft nicht ernst genug genommen wird und Datenschutz in der langsam voranschreitenden Digitalisierung meist nicht von Anfang mitgedacht wird.
Sascha Lobo greift Thilo Weichert, den ehemaligen obersten Datenschützer Schleswig-Holsteins persönlich an und bezeichnet ihn als „Hohepriester der radikalen schleswig-holsteinischen Datenschutzschule“, die er als die Verhinderer ausgemacht haben will.
Datenschutz ist kein Supergrundrecht, es gibt immer wieder Abwägungen gegenüber anderen Grundrechten – in der Pandemie beispielsweise die physische Unversehrtheit. Jedoch sollten nicht unternehmerische Vermarktungsinteressen oder Kontrollbedürfnisse des Staates der Maßstab sein, der mündige Bürger sollte im Zentrum stehen:
Privates soll auch privat bleiben!
Dieses sicherzustellen ist Aufgabe demokratisch verfasster Staaten. Die EU strebt einen angemessenen Schutz personenbezogener Daten an, und hat dafür 2016 einen Rechtsrahmen geschaffen, die DSGVO. Es gilt, sie mit Leben zu füllen und die Bürger vor der maßlosen Sammelwut von Unternehmen und den Überwachungsfantasien staatlicher Behörden zu schützen.
Dafür lohnt es sich zu kämpfen, das sollte auch Sascha Lobo wissen!
Aktuelle Stichworte sind:
Chatkontrolle, Steuer-ID, angreifbare IT-Systeme dank geheimgehaltener Sicherheitslöcher, Staatstrojaner, Microtargeting, Nutzerprofile, Videoüberwachung mit biometrischen Verfahren u.v.m.
Das Verwirrspiel mit den Datenschutzeinstellungen – konzertierte Aktion der Verbraucherschutzbehörden gegen Google
Jede*r weiss, wie kompliziert die Datenschutzeinstellungen gemacht werden, so dass mensch aufgibt und hinnimmt, dass die eigene Privatsphäre nicht einmal so weit geschützt wird, wie es möglich wäre.
Nutzer*innen werden dazu gedrängt, allem zuzustimmen indem „Nudging“, umständliche Einstellungsoptionen und sogenannte „Dark Pattern“ angewandt werden.
Von datenschutzfreundlichen Voreinstellungen ganz zu schweigen, obwohl diese dank der DSGVO gegeben sein müssten.
Nun gehen die europäischen Verbraucherschutzbehörden gemeinsam gegen Google vor, und reichen bei 10 Aufsichtsbehörden Beschwerden dagegen ein. Eigentlich hätten die Behörden und die Politik bereits vor Jahren aktiv werden müssen.
Weitere Informationen
- netzpolitik.org – Verbraucherschutz: Gegen Googles Überwachung seiner Nutzer:innen
- Verbraucherzentrale Bundesverband – Europäische Verbraucherorganisationen gehen gegen Google vor
- netzpolitik.org – Massenphänomen „Dark Patterns“: Wie Politik und Behörden gegen irreführendes Design vorgehen können (15.5.2020)
FacePay – Gesichtserkennung in der Moskauer Metro
Mit einem Blick in die Kamera wird die Sperre zur Metro freigegeben.
Was als komfortables Bezahlsystem beworben wird dient auch zu Überwachung und Repression: Unzählige Personen wurden bereits in der Moskauer Metro verhaftet. Die biometrische Gesichtserkennung dient dabei als Mittel zum Zweck. Betroffen sind u.a. Kriegsgegner, deren biometrischen Merkmale bereits in der Datenbank zum Abgleich bereitstehen.
Es muss davon ausgegangen werden, dass auch in Russland weitere (Standort-)Daten gesammelt und personenbezogen zusammengeführt werden – in China ist diese Art der Profilbildung bereits in der Umsetzung (s. Blogbeitrag).
Was im Geltungbereich der DSGVO undenkbar erscheint, ist in autoritären Regimes längst gängige Praxis.
Weitere Informationen
- www.tagesschau.de – Gesichtserkennung in der Metro: Moskaus stumme Polizisten (Hinweis: die Webseite bindet externe Inhalte ein)
- Blogbeitrag zu Überwachung in China
Rasterfahndung war gestern – China baut auf Totalüberwachung
Neben dem massiven Ausbau der Kameraüberwachung wird in China auf präventive Überwachung (fast) aller Bürger gesetzt. Alle greifbaren Daten aus Vergangenheit und Gegenwart werden zusammengeführt und ausgewertet. Zudem sollen Vorhersagen über das Verhalten einzelner gemacht werden, insbesondere . Ansätze dazu gibt es auch in demokratischen Staaten – Predictive Policing in den USA und woanders gehört dazu – jedoch ist das chinesische Ausmaß erschreckend.
Die New York Times NYT hat eine umfangreiche Recherche vorgenommen, die ein klares Bild zeichnet:
- biometrische Informationen werden zusammengeführt (u.a. Fotos, Stimm-Mitschnitte, Iris-Scans, Fingerabdrücke, DNA, digitale IDs)
- Standortdaten (sowohl GPS als auch lokalisierende WLAN- und Funknetz-Daten) werden von Smartphones abgeleitet sowie von Überwachungskameras mit biometrischer Identifizierung (Bild und Ton) generiert
- andere verfügbaren Daten (Einkäufe, Hotel- und Ticketbuchungen, Stromverbrauch u.v.m.) werden zusammengeführt
Vollendet sich in China das Werk der NSA?
Weitere Informationen
Crypto Wars 2.0 – EU Kommission forciert Chatkontrolle in Gesetzentwurf
Wir berichteten bereits darüber, jetzt macht die Kommission ernst mit der digitalen Massenüberwachung:
Alle Dienstanbieter sollen verpflichtet werden,
jede (private) Kommunikation auf kinderpornographische Inhalte zu scannen.
Derzeit ist es noch freiwillig, künftig aber gefordert, dass alle Inhalte kontrolliert werden müssen. Es ist nur eine Frage der Zeit, dass die Begehrlichkeiten der Behörden nicht auf kinderpornographische Inhalte beschränkt bleiben werden, was in einer Domäne funktioniert, kann leicht adaptiert werden.
„Crypto Wars 2.0 – EU Kommission forciert Chatkontrolle in Gesetzentwurf“ weiterlesen
